Diskriminierung bei der Personalrekrutierung ist ein grosses gesellschaftliches Problem. Anhand der Analyse umfangreicher Daten einer Online-Stellenbörse können Forschende heute herausfinden, warum und wie stark die Herkunft oder das Geschlecht die Chancen auf eine Anstellung beeinflussen. Dies zeigt eine Studie, die vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützt und in der renommierten Fachzeitschrift Nature publiziert wurde.
Daniel Kopp und Michael Siegenthaler, Wirtschaftswissenschaftler der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, haben in Zusammenarbeit mit Politikwissenschaftler Dominik Hangartner nicht nur analysiert, welche Personen für ein Bewerbungsgespräch eingeladen wurden, sondern auch, wie die Auswahl erfolgte.
Am Abend wirken Stereotypen stärker
Die Forscher zeigten, dass Ausländerinnen und Ausländer im Durchschnitt 6,5 Prozent weniger häufig von Rekrutierenden zwecks Einladung zu einem Bewerbungsgespräch kontaktiert wurden als Schweizerinnen und Schweizer. "Besonders ausgeprägt war diese Benachteiligung bei Migrantinnen und Migranten aus dem Balkan, aus Afrika sowie dem Nahen Osten und Asien, welche besonders oft mit Vorurteilen zu kämpfen haben", stellt Daniel Kopp fest.
Das Forschungsteam fand zudem heraus, dass die ausländische Herkunft der Stellensuchenden gegen Mittag und gegen Abend - wenn die Rekrutierenden die Lebensläufe schneller durchgehen - einen stärkeren negativen Einfluss hat. "Dieses Muster stützt die These, dass auch unbewusste Diskriminierung eine gewisse Rolle spielt", erklärt Daniel Kopp.
Eine generelle geschlechtsspezifische Diskriminierung kann die Studie dagegen nicht ausmachen. Hinter diesem allgemeinen Ergebnis verbirgt sich jedoch eine heterogene Situation: Frauen werden vor allem in typischen Männerberufen diskriminiert (7 Prozent tiefere Wahrscheinlichkeit kontaktiert zu werden) und Männer in weiblich dominierten Berufen (13 Prozent tiefere Wahrscheinlichkeit). Für Daniel Kopp zeigen diese Zahlen, dass gewisse Rekrutierende Mühe haben, sich von einem veralteten Rollenverständnis zu lösen.
Drei Millionen tatsächliche Fälle
Zur Berechnung der Arbeitsmarktdiskriminierung haben die Forschenden innerhalb von knapp zehn Monaten über drei Millionen Entscheide der Rekrutierenden analysiert. Sie arbeiteten dabei nicht mit der häufig angewendeten und umstrittenen Methode, bei der fiktive Lebensläufe verschickt werden. Dank der Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO hatten sie Zugang zu den anonymisierten Daten von Job-Room, einer der grössten Stellenvermittlungsplattformen der Schweiz. Dies ermöglichte es ihnen, den Rekrutierenden bei der Auswahl der Kandidaten quasi über die Schulter zu schauen. "Die grosse Fülle an Daten erlaubte es uns, die Präferenzen der Rekrutierenden in Bezug auf zahlreiche Merkmale der Stellensuchenden und für verschiedene Berufe zu untersuchen. Die herkömmlichen Methoden sind viel beschränkter", ergänzt Daniel Kopp.
Die Ergebnisse der neuen Studie sind nicht unbedingt für alle Stellensuchenden in der Schweiz repräsentativ - so sind zum Beispiel Führungspersonen untervertreten. Dennoch lassen sich Empfehlungen für mehr Chancengleichheit auf Online-Stellenbörsen formulieren. Dabei könnten Erfahrung und Kompetenzen gegenüber Charakteristika wie Herkunft oder Geschlecht, die für die Arbeitsleistung irrelevant sind, stärker gewichtet werden.Das Forschungsprojekt wurde vom SNF im Rahmen der Projektförderung unterstützt. Mit diesen Beiträgen können Forschende Vorhaben zu selbst gewählten Themen und Forschungszielen eigenverantwortlich durchführen.
Kontaktaufnahme per Mausklick
Die Online-Plattform Job-Room enthält Profile von mehr als 150'000 Stellensuchenden. Rekrutierende geben an, welche Kriterien sie für eine bestimmte Stelle voraussetzen. Sie erhalten danach eine Liste mit passenden Kandidatinnen und Kandidaten sowie einige Angaben zu ihnen. Bei Interesse können sie ein Profil öffnen, um mehr über die Person zu erfahren, und allenfalls auf den Kontakt-Button klicken. So erhalten sie detaillierte Kontaktinformationen und können die Person zu einem Vorstellungsgespräch einladen. In ihrer Studie interessierten sich die Forscher für diese Klicks. Da diese die einzige Möglichkeit sind, mit der Rekrutierende mit Stellensuchenden in Kontakt treten können, wurden sie verwendet, um die Chancen der Kandidatinnen und Kandidaten sowie die Rolle der Herkunft oder des Geschlechts einzuschätzen. Bei der Herkunft unterschieden die Forscher zwischen "typisch" schweizerischen Stellensuchenden (schweizerisch klingender Name, schweizerische Staatsangehörigkeit und Beherrschung mindestens einer Landessprache) und "typisch" ausländischen Stellensuchenden (ausländisch klingender Name, ausländische Staatsangehörigkeit und Beherrschung mindestens einer Sprache des Herkunftslandes).
Die Analysen basieren auf Daten von über 450'000 Suchanfragen durch Rekrutierende zwischen März und Dezember 2017. Insgesamt wurden ihnen 16,9 Millionen Kandidatenprofile vorgeschlagen, von denen sie 3,4 Millionen öffneten und einen Teil davon kontaktierten.
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Schweizerischer Nationalfonds SNF (Firmenporträt) | |
Artikel 'SNF: Wie es auf Stellenbörsen zu Diskriminierung kommt...' auf Swiss-Press.com |
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